Holzschindeln sind alt – und zugleich überraschend aktuell. Während Fassaden heute oft technisch, glatt und wartungsfrei gedacht werden, erleben wir eine Rückbesinnung auf das scheinbar fragile, atmende Material. Eine Rückkehr zum Natürlichen, zum Greifbaren. Nicht nur aus gestalterischen Gründen – sondern weil Schindeln erzählen: vom Handwerk, der Umgebung, dem Wandel.
In alpinen Regionen war sie nie verschwunden. Die Holzschindel schützt seit Jahrhunderten Häuser vor Regen, Schnee und Sonne. In ihrer Einfachheit steckt Intelligenz: Sie ist leicht, schuppenartig überlappend verlegt und lässt die Wand atmen.
Ob in Skandinavien oder im Bregenzerwald – überall dort, wo das Klima rau und die Materialien naturbelassen sind, hat sich die Schindel bewährt. Im Bregenzerwald ist daraus sogar eine eigenständige Architektursprache entstanden – ruhig, präsent, handwerklich.
Auch uns fasziniert dieses Material, das nie laut, aber immer lebendig wirkt. Doch was macht sie heute interessant für die Architektur im Flachland, in Städten, im suburbanen Raum?
„Die Schindel funktioniert wie eine atmungsaktive Hülle – sie schützt vor Regen, lässt aber gleichzeitig das Haus atmen.“
– Bernardo Bader in „Schindel – das Gore-Tex der Architektur“, Bregenzerwald Podcast
Ein Prinzip, das moderner kaum sein könnte.
Schindeln tun etwas, das vielen Fassaden abhandengekommen ist: Sie sind spürbar. Jede einzelne ist ein Unikat. Die Handarbeit ist sichtbar. Die Oberfläche hat Struktur, Tiefe und Charakter. Licht und Schatten verändern das Fassadenbild ständig – bei jedem Wetter, zu jeder Tageszeit. Diese Holzhaut ist nicht glatt. Nicht perfekt. Und genau das macht sie nahbar und einladend.
Die Schindel ist ein Paradebeispiel für ökologisches Bauen: Sie wird aus heimischem Holz gefertigt, kommt ohne chemische Beschichtung aus, ist reparierbar und vollständig biologisch abbaubar. Ihre Schutzwirkung entsteht allein durch Form, Dichte und sorgfältige handwerkliche Ausführung. Kein Hightech – sondern kluge Einfachheit.
Wir glauben an eine Architektur, die nicht nur funktioniert, sondern berührt und belebt. Die das Material respektiert und es sprechen lässt. Eine Architektur, die hörbar ist im Wind und erfahrbar in der Nähe. Mit der Schindel haben wir ein Material gefunden, das all das kann. Es braucht nicht viel. Nur Haltung. Und Zeit.
Heilige Holzhaut eben.
Weiterführende Links und Infos:
Fotos: junger_beer architektur / wien